Immaterielles Kulturerbe

Das Friedens- und Freudenfest zur Wiedererlangung der Reichsfreiheit 1649 in Sennfeld und Gochsheim: Eintrag in das bayerische und in das bundesdeutsche Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes zur Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens

©Gemeinde Gochsheim

Am 10. November 2016 empfing der bayerische Kultusminister Dr. Ludwig Spaenle MdL eine in Tracht gekleidete Delegation aus Sennfeld und Gochsheim zu einem Festakt in der Münchner Residenz. Anlass war die Aufnahme des Friedens- und Freudenfestes, das die beiden Gemeinden seit 1649 begehen, in das Bayerische Landesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes zur Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens.

Die UNESCO hatte schon 2003 damit begonnen, eine repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit anzulegen. Überliefertes Wissen und Können werden auf dieser Liste ebenso verzeichnet wie identitätsstiftende Riten und Traditionen. 429 Einträge finden sich darin mittlerweile, darunter das indische Yoga, die türkische Kaffeetradition und die Prozession zum Heiligen Blut im belgischen Brügge. Die Bundesrepublik Deutschland trat dem UNESCO-Abkommen zum Schutz des immateriellen Kulturerbes 2013 bei. Seither wurden etwa die deutsche Brotkultur oder die Echternacher Springprozession in die internationale Liste aufgenommen.

Auch weiterhin werden auf nationaler Ebene Vorschläge eingereicht, die künftig an die UNESCO weitergemeldet werden können. Dabei folgt man dem föderalen Prinzip: Zunächst stellen die Bundesländer entsprechende Listen zusammen, aus denen sie dann ihrerseits die aussichtsreichsten kulturellen Ausdrucksformen auswählen und an den Bund weitermelden, der seinerseits ein Bundesverzeichnis des immateriellen Erbes führt. Das Sennfelder und Gochsheimer Friedensfest wurde zunächst in das Bayerische Landesverzeichnis, Ende 2016 auch ins bundesweite Verzeichnis aufgenommen, als einer von derzeit 68 Einträgen.

Ein wesentliches Kriterium für die Aufnahme einer kulturellen Ausdrucksform ist deren Praxis und Anwendung in der Vergangenheit, Gegenwart und der (nahen) Zukunft. Sie muss von einer Generation an die nächste weitergegeben und in der Gemeinschaft immer wieder neu gestaltet werden, so dass sie ein Gefühl von Identität und Kontinuität vermittelt.

Das Friedens- und Freudenfest in Sennfeld und Gochsheim geht auf die Wiedererlangung der Reichsfreiheit 1649 zurück. Im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges waren die reichsfreien Dörfer dem Würzburger Fürstbischof zum Lehen gegeben worden. Ein Jahr nach Verkündung des Westfälischen Friedens kam es 1649 zur Restitution. Nach 14-jährigem Rechtsstreit erhielten Sennfeld und Gochsheim ihre Rechte als reichsfreie Dörfer zurück, mit der auch die freie Ausübung der protestantischen Konfession verbunden war. Aus diesem Anlass richteten die Dörfer am 12. Sonntag nach Trinitatis ein Friedensfest mit Singen, Musizieren, Predigt und Plantanz aus, das – abgesehen von wenigen Ausfällen in Kriegs- und Krisenzeiten – seither alljährlich gefeiert wird. Während in Gochsheim das Fest von Anfang an mit dem Termin der Kirchweih zusammengelegt wurde, fand diese Zusammenlegung in Sennfeld erst 1705 mit der Fertigstellung der damals neuen Dreieinigkeitskirche statt.

Festbeschreibungen sind seit dem 19. Jahrhundert überliefert. Darin werden als wesentliche Elemente Singen, Musizieren und Predigen genannt. Das Aufstellen der geschmückten Planbäume fand am Kirchweihsamstag statt. Am Sonntag folgten der Gottesdienst mit Predigt und schließlich der Plantanz durch die jungen Burschen und Mädchen, der insbesondere auch am Kirchweihmontag stattfand. Die zentralen Festbestandteile (Predigtgottesdienst und Plantanz) werden in den beiden Dörfern an jedem ersten Septemberwochenende bis heute gepflegt.

  • ©Gemeinde Gochsheim
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Der Bayerische Kunststaatssekretär Bernd Sibler überreicht im Mai 2017 im Bürgersaal des Historischen Rathauses an die Gemeinden Sennfeld und Gochsheim je eine repräsentative Metalltafel.

Mit der Organisation der Feste beauftragen die Gemeinden entweder den lokalen Volkstrachtenerhaltungsverein (Sennfeld) oder die örtliche Burschenschaft (Gochsheim). Die eigentlichen Brauchträger sind die jungen Planpaare und die noch jüngeren Fichtenburschen. Bei den Planpaaren handelt es sich um unverheiratete Jungen und Mädchen, von denen zumindest ein Teil im jeweiligen Ort wohnt. Der wichtigste Faktor beim Erhalt der Friedensfeste ist allerdings eine funktionierende Dorfgemeinschaft. Sie erst stellt sicher, dass stets genügend Planpaare für die Ausrichtung des Plantanzes vorhanden sind. Die einst sehr strengen Regeln für die Wahl der Paare wurde mittlerweile etwas gelockert – nicht zuletzt im Hinblick auf die Konfession.

Es ist nicht zuletzt diese lebendige Weiterentwicklung des Brauches, die den Ortschaften die Aufnahme ihres Festbrauches auf die bayerische und die bundesdeutsche Liste des immateriellen Kulturerbes bescherte. Eine Anerkennung nicht nur der Tradition sondern auch eines auf die gemeinschaftliche Zukunft gerichteten Gestaltungswillens.