Ursprung

Nachfolgend erfahren Sie etwas über den Ursprung und den Ablauf des Gochsheimer Friedensfestes.

Am ersten Sonntag im September feiert Gochsheim sein Friedensfest (Kirchweih) mit der Aufführung des historischen Plantanzes. Dieser geht auf das Ende des Dreißigjährigen Krieges zurück. Im Jahre 1635 hatte Gochsheim nämlich seine Reichsfreiheit verloren. Am 14. August 1649 ist der Restitutions-Receß (Wiederherstellungs-Vertrag) in Schweinfurt aufgesetzt worden.

Das ehemalige Reichsdorf erhielt seine Reichsfreiheit zurück. „Und wurde hierauf der 12. Trinitatis von unseren Voreltern das erste Mal ein solennes Friedensfest mit Singen, Musizieren und Predigen gehalten, und dem allerhöchsten Gott für somit erzeigte Hilfe von jung und alt unter großem Zulauf der Schweinfurter, welche dem Gottesdienst ebenfalls mit beiwohnten, herzinnigst gedankt.” Mittelpunkt des Gochsheimer Friedensfestes ist die Aufführung des historischen Plantanzes.

Das eigentliche Friedensfestzeremoniell beginnt am Kirchweihsamstag mit dem Einholen und Aufstellen der Fichten und des Planbaumes. Fichtenburschen holen im Gemeindewald Fichten und stellen sie unter Musikbegleitung an den Eingängen der Gastwirtschaften auf. Die Planburschen holen den Planbaum, eine etwa 10 bis 15 Meter hohe Fichte, und richten ihn am Plan (= Marktplatz, Platz vor dem Rathaus) ebenfalls unter den Klängen der Musikkapelle auf. Am Kirchweihsonntag treten die Planburschen mit ihren Planmädchen in Aktion. Die Planburschen tragen den schwarzen Bratenrock über der Brust ein violettes Stoffkreuz und auf dem Kopf den Zylinder, geschmückt mit bunten Bändern. 
Die Planmädchen haben keine besondere Tracht mehr. Am Vormittag ziehen die Planburschen mit Musik in die evangelische Kirche zur Teilnahme am Kirchweih- Festgottesdienst. Mittags bringen sie ebenfalls mit Musik dem evangelischen Pfarrer und dem Bürgermeister einen Ehrentrunk dar. Beim Bäcker wird der Plankuchen abgeholt und am Plan sichtbar aufgehängt. Der Plankuchen ist fünfteilig (fünfstrahlig) und mit Trauben behängt. Der Wein, den die Planburschen mitführen, wird aus einer Karaffe kredenzt. Schließlich holen die Planburschen ihre Planmädchen ab. Paarweise bewegt sich der Zug mit Musikbegleitung zum Plan. Nach einem Willkommenstrunk tanzen die Planburschen zunächst mit kleinen Mädchen, (Gensdreckli).
Danach beginnt der Tanz der Planpaare. Je eine Tour Walzer, Rheinländer, Schottisch und zum Schluss ein Dreher sind die eigentlichen Kirchweih–Plantänze. Darauf wird der Plan für den Tanz der Öffentlichkeit freigegeben. Eine wichtige Person ist der Plankehrer oder Planhüpfer.
Bei den Aufzügen der Planburschen und Planpaare "hüpft" er vor der Musikkapelle vor- und rückwärts. Dabei schwenkt und dreht er das Gochsheimer Wappen, das an einer Stange befestigt ist. Pausenlos spielt die Musik bis Mitternacht zum Tanz auf. Das ganze Zeremoniell wiederholt sich am Kirchweihmontag und an der Nachkirchweih. Die Gochsheimer Kirchweihtage sind alljährlich ein Anziehungspunkt für Tausende von Besuchern aus der näheren Umgebung.

Der Gochsheimer Johann Matthäus Kirchner führte seit 1747 eine Chronik über seinen Heimatort. Zu Beginn eines jeden Jahres berichtete er immer ausführlich über den Festgottesdienst am Neujahrstag (am Tage Circumsissionis).
Wesentlich kürzer fallen seine Berichte über das jährliche Friedensfest (Festo Pace) aus. In der Tat gab es auch nicht so viel zu berichten. Der Pfarrer ging in seiner Predigt auf die Ereignisse des Jahres 1649 ein, in dem Gochsheim nach dem Dreißigjährigen Krieg für den Frieden und die wiedererlangte Freiheit Gott zu danken hatte. Am Nachmittag wurde in den Jahren 1747 bis 1750 der Tag mit einer Andacht und Kinderlehre beschlossen.

Im Jahre 1751 verfasste Kirchner eine dreiseitige Niederschrift über das Friedensfest, die hier – etwas gekürzt und dem heutigen Sprachgebrauch angepasst – wiedergegeben wird:
„Den 1. August ist es von Herrn Reichsschultheißen und einem Ehrbaren Gericht, mit Zuziehung der beiden Herrn Pfarrer den Jungen Gesellen allhier erlaubet worden, wie vor dessen gebräuchlich gewesen einen Plantanz anzurichten uf Festo Pace.” (Soweit im Wortlaut)
Auf den Montag und Dienstag hat man mit Erlaubnis der Obrigkeit ein schönes gerades Eichlein mit einem Wagen hereinbringen lassen. Von dem Zimmerermeister Melchior Seyffert wurde es sogleich beschlagen und von den Platzburschen „in das Rathaus gebracht”. Dort wurde es vom Schreinermeister Urff mit drei Farben angestrichen, nämlich hausrot, hellblau und dunkelschwarz. Der Stamm war 57 Schuh und die Queste (aufgesetzte Fichte) 15 Schuh lang, zusammen 72 Schuh (ca. 21 Meter). Die kleinen Knaben haben von Zell zusammen mit der Queste am großen Mai (Baum) einen Fichtenbaum bekommen, für 1 Gulden, 1 Schilling und 5 Pfennig.
Am Friedensfestabend (Samstag) sind die Bäume von zwei Zimmerleuten, Schieferdeckern und vielen Helfern aufgerichtet worden, das erste Mal wieder nach 29 Jahren. Am großen Baum wurde das Wappen, wie es 1568 den Gochsheimern verliehen worden war, gegen den Planbrunnen angebracht. Der kleine Mai stand beim Wachhäuschen (Gefängnis) vor dem Kirchhoftor. An beiden Bäumen hing ein Kranz, am großen dazu eine Fahne mit dem Reichsadler.
Danach haben die Platzburschen auf dem Rathaus dem Herrn Reichsschultheiß und allen, die beim Aufrichten geholfen haben, einen Trunk präsentiert.
Am Sonntag darauf haben die 12 Platzburschen in einer Reihe in der Kirche gestanden mit „ihren Libereyen ufm Hüthen und einem Strauß mit einer Citeronen”. Den Friedensfestsonntag haben sie still sein müssen. Auf den Abend haben die Platzmädchen den Plan kehren müssen.
Am Montag darauf wurden die Platzburschen von 4 Musikanten zum Schweinfurter Tor hereingespielt. Paarweise, mit einer Kanne in der Hand, folgten sie den Musikanten bis ins Wirtshaus von Veit Träg. Die kleinen Platzbürschlein zogen ebenso mit einer Kanne wie die großen zu ihrem Baum.
Um 2 Uhr nachmittags begann der Plantanz. Angeführt von den 4 Musikanten kamen die Platzburschen aus dem Wirtshaus, voran die drei ältesten. Der Mittlere trug „den Kuchen mit dem doppelten Adler” und der rechts von ihm eine Kanne mit Wein. Nachdem sie dreimal rechts und dreimal links um den Mai herumgegangen waren, tranken sie auf die Gesundheit. Danach tanzte jeder Platzknecht (Planbursche) mit einem kleinen Mädchen einen Reihen und darauf mit seiner Platzjungfer. Danach konnte jeder, der Lust hatte, tanzen. „Ist ein großer Zulauf bei dem Anfang dieses Tantzes gewesen.” Das Geld, das bis zum Abend in einer Büchse zusammenkam, teilten sich die Platzknechte mit den Musikanten. Was danach noch einging, durften die Musikanten für sich behalten. Die Platzmädchen mussten nach dem Tanz nach hause gehen und durften nicht mit den Platzburschen ins Wirtshaus. Doch um 10 Uhr hat für alle Feierabend sein müssen. So ist es auch am zweiten Tag gehalten worden. Am 3. Tag sind sie mit den Musikanten im Dorf herumgegangen und haben „lächerliche Acten verübet und Eyer zusammengetragen, welches einen großen Auflauf unter dem Pöbelvolk verursachet. Hiermit hat sich dieser Plan Tantz geendet”.
Am dritten Tag oder Mittwoch haben alle Gastwirte Musikanten halten dürfen und ist auf 4 Kufen auf der Schmiede mit zahlreichen Spielpersonen gespielt (Glücksspiel!) worden und dabei „manchem sein angefüllter Beutel oder Tasche sehr entkräftet und leicht gemacht worden seyn”. < Aus Joh. Matthäus Kirchner, Manuale oder Handbuch, S. 229-232>

Anmerkungen:

  • Man hat sich in Gochsheim bei der Durchführung des Plantanzes 1751 noch streng an das Zeremoniell des ersten Friedensfestes 1649 gehalten. Mit dem „doppelten Adler” ist wohl der doppelköpfige Adler im Wappen des damaligen deutschen Kaisers gemeint.
  • Der Kirchweihbaum wird in den Niederschriften meist Mai genannt, die Planburschen Platzburschen oder Platzknechte.
  • Wenn auch Matth. Kirchner im Jahre 1752 auf Seite 249 schrieb „ist gehalten worden wie das vorige Jahr”, muss es doch einige Neuerungen gegeben haben, denn er schrieb: „Ist Donnerstag der Tag St. Bartholomei (24. August) gewesen: war ein großer Auflauf, nach der Mittagskirchen haben sie den Plan wiederum aufgeführet mit 7 Musikanten, hat gedauert bis früh am Tage, zwar nicht ufm Plan, doch in Wirtshäusern. Ist doch einig und ohne Schlägerey abgangen, haben 10 Eimer Most gehabt.” (1 Eimer als Maßeinheit ca. 68 Liter)
  • Auf Seite 248 berichtet er über die Friedensfest-Feier am Sonntag in der Kirche, die am Nachmittag mit einer Kinderlehre und einem Concert beschlossen wurde.
  • Das Friedensfest fiel häufig mit einem 12. Sonntag nach Trinitatis in den Monat August. Später wurden öffentliche Feste in den Erntemonaten verboten und mussten in den Herbst verlegt werden. Erst im 19. Jahrhundert wird das Friedensfest in Gochsheim auch Kirchweih genannt. Damit verlor sich auch immer mehr die Erinnerung an die Ereignisse des Jahres 1649.